“Urlaub aus der Flasche” hörte sich für mich schon mal sehr gut an. Als ich eine Mail bekam, mit genau dieser Überschrift, war ich schon Feuer und Flamme.
Die Idee hatten drei Studenten von der Uni Geisenheim. Daria, Katharine und Enrico. Sie wollten meinen Reise – Erinnerungen mit 6 Flaschen Wein auf die Sprünge helfen. Das ich dazu nicht nein sagen konnte, war doch abzusehen. 😉
Als der Postbote mit dem Paket ankam, war meine Spannung groß.
Nach und nach packte ich Flasche für Flasche aus. Ich war so happy. Die Weine trafen allesamt meinen Geschmack. Nur welchen sollte ich als Erstes trinken. Da fiel mein Blick auf die eine Flasche…
Rigogolo Vernaccia di San Gimignano
Die Sonne ging allmählich unter und färbte den Himmel über den Dächern dieser alten Stadtmauern in seinen schönsten Farben. Von Orange bis zu einem leuchtenden Blau und zartem Gelb erstrahlte der Himmel und spiegelte sich in den Fenstern der kleinen Geschäfte des Innenstadtkernes wieder. Es war angenehm warm und eine ganz leichte Briese wehte von den Hügeln um die Stadt Volterra herum. Volterra, jeder Stein beschrieb eine kleine Geschichte. Rote Fahnen wehten munter von den Häuserwänden im Wind.
Kein Wunder, dass diese Stadt für viele Filme als Kulisse bestens geeignet war. Doch hier waren keine Akteure sondern lediglich ein paar Touristen und Italiener die auf dem Weg zur nächsten Bar oder um die letzten Dinge vor dem Abendessen einzukaufen. Auch ich schlenderte mit meinen viel zu hohen Absätzen für ein Kopfsteinpflaster die schmalen Wege entlang.
Ein Musiker stand an der Straßenecke und spielte auf seinem Saxophon ein fast trauriges Lied, aber es passte auch irgendwie zur Atmosphäre der Umgebung. Ich hielt an und hörte gebannt zu. Ich war kein großer Fan von Trompete oder Saxophone aber dieser Spieler faszinierte mich. Mit seinen schulterlangen, fast schwarzen Haaren und den geschlossenen Augen wirkte er wie ein Engel, ein Erzengel. Er war groß und gut gebaut und bewegte sich leicht im Rhythmus der Musik. Als das Stück endete, blickte die Menge nahezu gebannt auf ihn. Als er seine Augen öffnete und uns mit den strahlendsten, blauen Augen die ich je gesehen hatte, ansah, erwachten alle aus ihrer Erstarrung. Sie applaudierten wie wild und verlangten nach mehr.
Auch ich kam langsam aus meiner Lethargie und als er mich ansah, schlug mein Herz bis zum Hals. Er packte unter tösendem Applaus trotzdem seine Trompete ein und ging direkt auf mich zu. Ich sah mich um, vielleicht ging er gar nicht zu mir. Als er jedoch vor mir stehen blieb, wusste ich, dass ich gemeint war. Er nahm meine Hand und sagte auf Italienisch: “Komm, lass uns einen Wein trinken gehen.” Noch immer regelrecht betäubt nickte ich nur und ging mit.
Ein kleines Weinlokal mit Blick auf die (am Tage) farbenfrohen Hügel der Toskana war unser Ziel. Der Himmel war inzwischen dunkel und kleine Lichter erleuchtete den Tisch und die Umgebung. Wir setzten uns und er bestellte eine Flasche Wein. Es war ein “Vernaccia di San Gimignano”.
Wir lachten und unterhielten uns den ganzen Abend. Der Wein begleitete uns mit kleinen Stuzzichini (Kleinigkeiten).
Der Abend neigte sich dem Ende zu und wir standen auf und spazierten durch die dunklen Gassen. An der mittelalterlichen Stadtmauer verabschiedeten wir uns mit zwei Küsschen auf den Wangen und einem gehauchten Lebewohl.
Ich drehte mich nicht mehr um und wir tauschten auch keine Telefonnummern. Es war, als hätte es diesen Abend und diesen “Dunklen Engel” nie gegeben…
Viele Jahre sind seither vergangen, doch eine Sache ließ mich diese Stunden nie vergessen – die blumige Duftnote und der Geschmack nach Kräutern und wilden Wiesen. Wenn ich diesen Wein “Vernaccia di San Gimignano” auf der Zunge spüre, weiß ich, dass es diesen Abend doch gegeben hat.
4 Comments
Was für eine süße Geschichte. Total romantisch. Ach, das macht Lust auf mehr – mehr Italien – mehr Wein
Vielen lieben Dank! 🙂 🙂
Die Toskana liegt definitiv noch auf der Liste meiner zukünftigen Urlaube. Deine kleine Geschichte macht auf jeden Fall schon richtig Lust auf den nächsten Urlaub 🙂
Das freut mich. 😉
Ja Toskana muss sein, aber es gibt auch noch so viele andere, schöne Gebiete und Städte in Italien…. Ach, hätte man nur mehr Zeit zum Reisen…